Héloise an Abelard:
„Das ,Subjekt' der Schrift existiert nicht, versteht man darunter irgendeine souveräne Einsamkeit des Schriftstellers. Das Subjekt der Schrift ist ein System von Beziehungen zwischen den Schichten: des Wunderblocks, des Psychischen, der Gesellschaft, der Welt. Im Innern dieser Szene ist die punktuelle Einfachheit des klassischen Subjektes unauffindbar. Um diese Struktur zu beschreiben, reicht der Hinweis nicht aus, daß man immer für jemanden schreibt; außerdem bleiben die Oppositionen von Sender-Empfänger, Code-Nachricht usf. gröbste Instrumente. Vergeblich suchte man im ,Publikum' den ersten Leser, das heißt den ersten Autor des Werks. Die,Soziologie der Literatur' nimmt nichts von dem Krieg und den Listen wahr, deren Einsatz im Spiel der Ursprung des Werks ist, zwischen dem Autor, der liest, und dem ersten Leser, der diktiert. Die Sozialität der Schrift als Drama verlangt eine ganz andere Disziplin.“1
Wenn Chris Kraus behauptet, jeder Brief sei ein Liebesbrief2, würde ich viel weiter gehen, zu sagen, dass jedes Schreiben einer libidinösen Bewegung folgt, sonst nähmen wir nie auf uns, in den mühsamen und ohnehin zum Scheitern verurteilten Prozess zu treten, zu erlangen, was wir begehren: das Signifikat, dass das Gegenüber sein muss, Adressatin Wirklichkeit.
„Ich werde nicht über die Liebe schreiben, ich werde nur über das Wetter schreiben.“3
Die Frage aber: warum schreiben und nicht sprechen.
„Forcing myself to shut up, pouring language onto paper instead: this became a habit.“4
Das Abschicken ist dem Liebesbrief sekundär. Einen Liebesbrief schreiben wir aus der Drangsal heraus, endlich adressieren zu müssen; es ist weniger Trockenübung als tatsächliche Kommunikation ins Leere, so findet hier (im Schreiben) ein tatsächlicher Sprechakt statt: wir erschreiben uns das begehrte Gegenüber.
Maggie Nelson legt über ihre Schreibmotivation offen: „Forcing myself to shut up, pouring language onto paper instead: this became a habit.“5
Den Kassenzettel eines Aperitifs, den ich auf dich wartend trank, an der Stelle als Lesezeichen zu finden, wo ich bei Maggie Nelson aufhörte zu lesen, als du dich endlich in mein Sichtfeld schobst, meinen lesenden Blick zu einem schauenden machte; ebenso die Kinokarte des im Anschluss gemeinsam geschauten Films aufzuheben wie eine Reliquie, objekthafte Verbindung zu deiner möglichen Wiederkehr, magisches Denken an Wiederkunft, dem entgegen die Pietät gegenüber dem Unwiderruflichen (wie man jede so unbedeutende Habseligkeit von Verstorbenen wegzuwerfen sich scheut).
Zoo. Deine ersehnten Briefe.
Meinen Namen in deiner Handschrift schauend abzutasten in der Widmung, die du mir in dein Buch schriebst.
Als untilgbare Spur bleibt die Schrift auf den schreibenden Körper verwiesen. Selbst hier noch durch die Schicht der Tastatur, die ich dringend mal abwischen sollte.
Und in der naiven Hoffnung, die Dinge wären ehrlicher als die Sprache, die Form ehrlicher als der Inhalt, also: die Bettwäsche nie wieder abziehen, seitdem du dort lagst.
Dann schicke ich dir einen Essay, den ich an jemand anderen adressiert habe.
Darin schreibe ich über die Legitimität der Abbildung, ich schreibe über den live gestreamten Prozess von Amber Heard gegen Johnny Depp, darüber, was es heißt, die Bilder von Leichen anzuschauen und darüber, was es heißt, über eine Person zu schreiben, mit der man auch schläft, und ich befrage damit das Umschlagen der autofiktionalen Erkenntnisgerichtetheit in einen vulgären Voyeurismus.
Also schicke ich dir einen Liebesbrief, der sich an jemand anderes richtet, weil ich dieses literarische Verfahren von dir bewertet wissen möchte, dieses Verfahren, das ich einschlage, weil ich von dir wissen will, ob es legitim ist, einen Text nur zu schreiben an ein Gegenüber, das man in seinem momentanen Begehren adressiert, und du, der du ja auch Schreibender bist, antwortest mir:
„Ein interessanteres Beispiel bietet das Buch, an dem ich gerade schreibe. Es heißt: Zoo oder Briefe nicht über die Liebe oder Die dritte Héloise. Darin sind die einzelnen Teile dadurch verknüpft, daß alles mit der Geschichte der Liebe eines Mannes zu einer Frau zusammenhängt. Dieses Buch ist ein Versuch, den Rahmen des gewöhnlichen Romans zu sprengen.
Ich schreibe dieses Buch für dich, das Schreiben bereitet mir physischen Schmerz.“7
Den Vorwurf an das eigne Schreiben richtend, der Vorwurf des Nur-Persönlichen nämlich ohne Möglichkeit, es als Partikulares im Allgemeinen einzulösen, wie jedes Mal aber nicht ohne Genuss an dieser am Ende doch selbstgefälligen Selbstzerfleischung, twitterte ich erst heute:
Aber um diesem Vorwurf zu begegnen, rechtfertige ich mich und ich denke – so Schklowskij-Fanfiction zu schreiben schon was and’res, oder?
– „Man kann ein Buch nicht mehr in der herkömmlichen Manier schreiben. Das weiß Belyj, das wußte Rosanow nur zu gut, Gorkij weiß es, wenn er nicht gerade über Synthesen nachsinnt, und ich stummelschwänziges Äfflein weiß es nicht minder.“8
Überspitzt könnte man Literarizität vielleicht fassen: Seit wann braucht ein Brief eine/n AdressatIn?
„Ich bin völlig verwirrt, Alia! Gleichzeitig mit den Briefen an dich schreibe ich nämlich an einem Buch. Was im Buch ist und was im Leben ist, hat sich völlig verwirrt.“9
Leben schreiben, die Hybris jeder AutorInnenschaft, die Urszene der Autofiktion.
Und wenn wir Leben schreiben könnten (wie Chris Kraus mit ihrem dämlichen Gerichtsprozess), warum können wir dann nicht gegen den Krieg schreiben, das wäre viel nützlicher.
Denn das alles (eigene) hier finde ich eigentlich erbärmlich (und schreibe dennoch weiter), weil dann jedes Mal die Subjektivität des (Text-)Begehrens oder der crave reinkickt.
Lieber Viktor,
ich, Alia, die fresheste Héloise, antworte dir
nachmittags, als du mir schreibst:
(Es ist die übliche Frage, die wir uns abwechselnd stellen, nachdem der/die eine die Nummer unseres Dealers wieder in verkaterter Reue gelöscht hat.)
Warum muss denn ausgerechnet die verschmähte Liebe den Bezug zum Gegenstand des Schreibens beschreiben, frage ich mich. An Jan Josef Liefers sollte ich diese Briefe adressieren. Er verschmäht meiner nicht. Ich gebe ihm Geld dafür, dass er mir Drogen gibt. Das Gegenteil von unerwiderten Bedürfnissen also, beidseitig. Warum kann dies nicht zum Vorbild dienen. Das letzte Mal, als ich ihm 1 Gramm abkaufte, warf er mir zum Abschied einen Luftkuss zu, den ich erwiderte. Ich frage mich, unter welchem Namen Jan Josef Liefers, den du so getauft und dessen Nummer du unter diesem Namen so an mich weitergeleitet hast, mich und dich in seinem Handy eingespeichert hat.
Schon lange schieben wir diese Nummer hin und her, wie wir Bücher hin und herschieben, immer hat es die eine Person nötiger. Der Rausch in Abwesenheit mit dem/der anderen. Der Rausch als einsamstes Erlebnis.
Du bist alleine in der Selbstbezüglichkeit deines Schreibens.
Türmten wir alle geliehenen Bücher von vergangenen Liebschaften empor, sei es aus der unbedingten Notwendigkeit, sich einer/m GeschlechtspartnerIn mitzuteilen, weil wir uns selbst mitteilen wollen, die Texte zu teilen, mit denen wir in unserer Subjektkonstitution unmittelbar verstrickt scheinen, oder sei es einfach aus der angebrachten Ökonomie der jeweiligen Gesprächssituation heraus, eine Referenz gedroppt zu haben und diese Referenz dinglich fassen zu müssen,
einfach aus der kommunikativen Freigiebigkeit, die das zweite Bier so gewährt, und der Logik, die das nun körperlich werdende Beisammensein im Überhändigen von Objekten zu dieser Stunde nun mal erfordere, jemanden etwas in die Hand drücken zu können, was vom eigenen Bildungsvorsprung zeugt, was einen perspektivisch auch noch enger verbinden würde, die Bücher also die wir behalten, nie zurückgegeben und womöglich (d.h. in den meisten Fällen) nie gelesen haben und würden wir dagegen die Bücher empor stapeln, die wir ihnen geliehen haben, aber wozu soll das führen.
Das ist schließlich kein Wettbewerb, kein Vergleich, es ist kein Gegenüber, kein Dialog. Du bist alleine in der Selbstbezüglichkeit deines Schreibens.
(Doch dein Pynchon lag bei mir zwei Jahre und ich habe ihn gelesen, schwör.)
An einer Stelle meines Kopfes zu kratzen kann ich nicht unterlassen
Und welche Fehlleistung bist du heute
(dass das jeweilige Gegenüber vor allem zuzuhören hat)
Einmal schrieb ich dir, aus der unbefriedigten Isolation meines Schreibens heraus, und schickte es niemals ab (Spem in alium SPAM IN ALIUM):
Musste gestern feststellen: die Sprache, die sich dir erst so zwanglos zuwandte, wendet sich (endlich) in die Profanität seines Fürsichseins; aufblitzende Erinnerung an ein Schulkind, das man selbst war, (Fliesenboden und Spirelli aus dem 5l Topf), an das Schulkind, das eine perforierte Postkarte gelöst hat, das eine Briefmarke gekauft hat im Schullandheim (wahrsch. bayerischer Wald) und all die Vorbereitungen des Schreibens unternommen hat ohne jeden Gedanken, was es denn schreiben möchte. Ich wünschte, dies' Anekdötchen zur ziellosen Geladenhenheit meiner Sprache, das btw so auch nie stattgefunden hat, wäre Erklärung für die profane Überspanntheit meiner Nerven die letzten Wochen. Und dennoch Lieber
(…)
Statt dieser Nachricht, die fortan in einer Pages Datei verwesen sollte, schreibe ich dir:
Ich denke anders als Cixous übrigens nicht, mit dem Text mich selbst zu erschreiben. Im Erschreiben des Gegenübers zerschreiben wir uns selbst.
Kratz ich's mir von der Kopfhaut im Dezember:
Später lasen wir einander die Gedichte von Brecht vor auf Drogen, die uns Jan Josef Liefers verschaffte, du mir die Von des Cortez Leuten, ich dir den Bericht einer misslungenen Expedition, ehe wir endlich miteinander schliefen,
Auch die Ochsen schwiegen.
Gen Morgen war es, als ob Tiere brüllten
Doch ziemlich weit weg
Das letzte Mal, dass wir uns sehen sollten.
Das Gegenüber im Adressieren tilgen. „Ohne die Verdrängung ist die Schrift undenkbar.“10
Nichts dämlicheres nämlich als sich der Vergeblichkeit des Schreibens schon bewusst zu sein, im Adressieren eines Briefes, im Tippen eines Namens in die Leiste, des Namens einer Person, die mit größter Wahrscheinlichkeit nichts mit dem Briefinhalt zu tun hat.
Wie wenn Kathy Acker am 9. August 1995 an McKenzie Wark schreibt:
„Mailen muss der reine Narzissmus sein… wahrscheinlich labere ich gleich noch schlimmer rum daher gute Nacht für heute.“11
Und mit welchem Ergötzen am Privaten lese ich jetzt diese Texte.
Fiktion statt Diktion:
Ich lese vom Problem „des psychischen Textes in seiner Stofflichkeit“12 und ich stolpere über die etymologische Verwandtschaft des Textes zum Textilen, ich denke daran, wie Anna Freud in ihren Webstuhl versunken ist – und ihr eigener Vater, der auch ihr Analytiker ist, hält inne, als er sie so sieht und hält fest, angesichts seiner Tochter als Forschungsgegenstand: „…aber vielleicht haben sie [die Frauen] doch eine Technik erfunden, die des Flechtens und Webens“.13 Und wo ich jetzt diese Stränge in meinen Händen bündle, essayistisch – ich will ja schreiben – entkommen sie mir, schon entkommt es mir.
Will ficken mit anderen Worten.
Will ficken mit:
anderen Worten und nicht mit den meinen.
Soll ich mich kenntlich zeigen, mich verorten, okay:
Hier spricht die erste, die zweite, die dritte, die vierte Héloise. Und wo bist du.
So könnte man meinen, der Briefwechsel zwischen Abelard und Héloise sei wechselseitig, aber es muss doch auf einer monologischen AutorInnenschaft beruhen (und wer spricht in diesem Setting überhaupt mal von Machtmissbrauch und welche spätpubertäre Patrizierin sollte schon alles aufgeben für so einen gealterten Hauslehrer, der doppelt so alt ist wie sie). Tatsächlich gibt es viele literaturhistorische Zweifel darüber, ob der Briefwechsel nicht eher ein fiktionales Werk eines/einer einzelnen AutorIn ist.15
Heloise: (…)
Abelard never existed.
Abelard never will exist.
16
Das Gegenüber im Adressieren tilgen. „Ohne die Verdrängung ist die Schrift undenkbar.“17
Ich frage mich, ob Schklowskij Alia wirklich geliebt hat, um ihrer selbst willen, wie man so formelhaft sagt (als wäre uns das Selbst des Gegenübers ein Begriff), ob sie mehr war als eine Fläche, ein Format, wo Platz ist für den eigenen Text.
Die Audioaufnahme unseres Podiumgesprächs, die mir Britta schickt, ist unvollständig, bricht plötzlich aus dem Rauschen des laufenden Dialogs auf, bricht in Rauschen ab nach 32 Minuten. Die Stimmen klingen alle verzerrt, hoch gepitcht. Ich höre noch mal das vor einer Woche Gesagte, das von der Technik aus seinem ursprünglichen akademischen Rahmen des theologischen Instituts in ein drolliges Schlumpfhausen-Setting von blauhäutigen bemützten Gelehrten (mir inkl.) transzendiert scheint. Aus dem Publikum kommt die Frage, inwiefern mein Text in seinen Zerstückelungsverfahren, in seiner Unzugänglichkeit, schließlich in seiner Gewaltförmigkeit nicht genau wieder Gewalt in der Lektüre provoziere, ob es aus diesem Kreislauf denn keinen Ausweg gäbe, ein Schreiben des Friedens, und ich antworte nein.
An jenem Abend spielst du (kann es noch immer über meinen Youtube-Verlauf zurückverfolgen) aus Fassbinders Querelle:
Each man kills the thing he loves.
Gewalt des Buchstabens.
Viktor Iñigo Beaver nenne ich dich, im Wissen um alle Konsequenzen dieser Schreibhandlung.
„In der Tat gab es eine erste Gewalt zu benennen. Benennen, die Namen geben, die es unter Umständen untersagt ist, auszusprechen, das ist die ursprüngliche Gewalt der Sprache, die darin besteht, den absoluten Vokativ in eine Differenz einzuschreiben, zu ordnen, zu suspendieren.“18
Viele Nachrichten schrieb ich, die ich nicht abschickte, die ich seitdem in ein stets geöffnetes Pages-Dokument kopiere, der Name der Datei ist SPAM IN ALIUM, das Gegenüber bleibt die eigene Schrift.
Ja, wir erschreiben uns das begehrte Gegenüber und in dem bewussten Verfehlen der Vorlage tun wir ihm Gewalt an.
Denn jeder Text muss seinem Gegenüber, dem Gegenstand, aber auch der lesenden Person zwangsläufig einer Gewalt unterziehen.
Kann Héloise Abelard nun endlich anders schreiben, wo sie weiß, dass er kastriert ist (auf Befehl ihres Onkels hin nämlich)? Kann sie ihm anders begegnen, jetzt, wo seine Schrift, auf die sie schreibend reagiert, zumindest buchstäblich keinem Phallozentrismus mehr unterliegen kann (steht ja nicht mehr). Vielleicht wird es aber hier wirklich interessant für Héloise, wo unerwarteterweise (wer rechnet schon mit Kastration) der Schwanz ausbleibt, den sie ja eigentlich ficken will, ihre écriture endlich nicht nur rein negativ vom Phallus abzuleiten, sondern diese eben selbst und aus dem ungerichtetem Schreiben heraus zu finden, gegenüber dem alten Sack Hauslehrer, der zwar mehr gelesen hat als sie, aber viel unglücklicher ist.
Habe ich unseren ersten Kontaktabbruch programmiert, als ich, gespeist von unseren täglichen Chats als Material meines Romans ein tragisches Ende festsetzte, bevor es wenig später tatsächlich im Leben eintraf.
„Ich bin völlig verwirrt, Alia! Gleichzeitig mit den Briefen an dich schreibe ich nämlich an einem Buch. Was im Buch ist und was im Leben ist, hat sich völlig verwirrt.“19
Versuche ich mich an Fiktion, stelle ich mir immer gleich die Frage, was mich denn von Rousseau unterschiede, Rousseau, der im Vorwort von La Nouvelle Héloise so tut, als wäre er nur Herausgeber eines gefundenen Briefwechsels. Vielleicht spiegelt dieser damals vielleicht innovative Kunstgriff aber tatsächlich den ernsthaften Zweifel wider, wie weit wir AutorIn des eigenen Textes sind, die Hoffnung, dieses Supplement halten zu können, als läge es außerhalb unserer Schrift.
„Viele Leser konnten nicht glauben, dass es sich um eine Fiktion handelte und schrieben an Rousseau, um mehr über die Protagonisten zu erfahren.“,20 lese ich bei Wikipedia.
Ja, welche Angaben könnte er machen über Julie, la nouvelle Héloise, was weiß er schon von ihr, hat paar Briefchen geschrieben in ihrem Namen.
Und was weiß ich von mir außer meinen paar Briefchen in meinem Namen, die ich als Literatur verstehen will.
Die unbeantworteten weil nie abgeschickten Briefe.
Wenn ich schon die adressierte Person nicht erreichen kann in meinem Schreiben, so bin ich darin vielleicht doch nicht allein.
Das Schreibprogramm, der Webstuhl, es ist meine Schrift, das Gegenüber, das ich adressiere, nicht dich
Viktor „Iñigo“ Beaver
Könnte ich so einen Roman füllen
denk schon
Schreiben begreifen als: Forcing myself to shut up.
Den Verirrungen der mündlichen Rede entkommend beschließt Héloise:
„im Schreiben will ich die Worte meiden, die ich von Mund zu Mund überhaupt nicht meiden könnte.“21
Doch wie gelangt sie, Héloise, gelange ich, zum Manifesten, schon immer programmiert von der heterosexuell-cis-männlich strukurierten Matrix.
Derrida schreibt: „Ohne die Verdrängung ist die Schrift undenkbar.“22
Wenn ich als Autorin, die eine Frau ist, dem Verdrängten23 also der patriarchalischen (Schrift-)Kultur angehöre, was ist dann das Verdrängte in meiner Schrift. Vielleicht kehrt sich die doppelte Negation dann ins Positive. Bist es immer du, (dein Phallus) über den ich oder viel mehr an den ich schreibe, sobald ich denke, über irgendeinen Gegenstand zu schreiben. Der Motor ist Begehren. Hast du auch Hunger
Mund zu Mund überhaupt nicht meiden
Ich denke, dass mich meine Schrift besser kennt als ich dich. Ich denke:
Viktor, wie er statt des Brots nur Rosen kauft.24
Ist es wirklich das, was mich zum Schreiben bringt
Viktors Hoden, die Rosen, welch freudiger freudian slip
lutsche daran
nein
will, dass im Schreiben jedes Begehren manifest wird, weniger als Kontrollinstanz denn als Wahrheitsdetektor, im Sinne eines Zutreffens des Wunschgehalts (nichts anderes als das Projekt der Psychoanalyse vielleicht), zu sehen, wie sehr ich die Wirklichkeit begehre, als Kuchen ohne Kalorien, als Möglichkeit eines sozialistischen Realismus im Kapitalismus. Einer Liebe ohne vorausgehender Dates, einer Literatur ohne Schreibprozess.